Obwohl inzwischen bekannt sein dürfte, dass betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) eine exzellente Stellschraube ist, um die Mitarbeiterzufriedenheit und die Attraktivität als Arbeitgeber:in nach außen zu steigern, kommt eine YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2021 zu einem erschreckenden Ergebnis. Denn während gerade die psychische Belastung während der Pandemie zunahm, gaben 45 Prozent der befragten Arbeitnehmer:innen an, in ihrem Unternehmen keine betriebliche Förderung ihrer psychischen Gesundheit zu erfahren.
Die hybride Arbeitswelt erfordert, dass das Thema BGM neu gedacht wird. Doch zuerst möchte ich etwas ausholen: Was genau ist BGM? Welche Ansätze gilt es, zu verfolgen, welche konkreten Maßnahmen, einzuleiten? Und vor allem: Welche Anpassungen müssen gemacht werden, damit es auch im Homeoffice den gewünschten Mehrwert erzielt?
Was ist BGM?
BGM ist die Summe aller Maßnahmen, die Sie als Unternehmer:in ergreifen, um das physische sowie das psychische Wohl Ihrer Arbeitnehmer:innen zu steigern. Bei genauer Betrachtung stellt man schnell fest, dass dieses Vorhaben beiderseitigen Nutzen bringt. Natürlich liegt die Last der Investition erstmal auf dem Unternehmen, jedoch ergeben sich schnell für beide Seiten Vorteile. Um ein Beispiel vorweg zu nehmen: Eine bessere gesundheitliche Verfassung verringert langfristig die Anzahl stressiger Arztbesuche mit Ansteckungsgefahr im Wartezimmer für Arbeitnehmer:innen; für Arbeitgeber:innen bedeutet sie eine Kostensenkung durch weniger Krankheits- und damit Produktionsausfälle. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es jedoch weder die eine Maßnahme, die sprichwörtlich schon die halbe Miete ist, noch gibt es das Einsteigerset an Maßnahmen, mit dem “das Wichtigste erstmal getan ist” und nach dessen Anwendung man sich vorerst nicht mehr damit beschäftigen muss. Vielmehr ist es ein fortlaufender Prozess, der immer wieder auf die Bedürfnisse Ihrer Angestellten angepasst und optimiert werden muss. Doch dazu später mehr.
Zunächst einmal muss man BGM aber in den richtigen Kontext setzen, um sich seiner Bedeutung bewusst zu werden. Zum einen herrscht schon jetzt eine Situation auf dem Arbeitsmarkt, die mehr denn je zuvor den richtigen Umgang mit Human- und Sozialkapital fordert. Zum anderen prophezeien die Hochsetzung des Renteneintrittsalters und der demographische Wandel, dass die Gesellschaft und somit auch die Belegschaft eines jeden Unternehmens durchschnittlich altern wird. BGM kann hier suspensiv wirken, indem es die Leistungsfähigkeit im letzten Viertel des Arbeitslebens aufrecht erhält und gleichzeitig durch den besseren gesundheitlichen Zustand beim Renteneintritt die Lebensqualität im wohlverdienten Ruhestand steigert.
Nun möchte ich aber einige konkrete Maßnahmen empfehlen, um schon jetzt die Weichen in Richtung dieses Langzeitziels zu stellen.
Mit welchen Maßnahmen können Sie einen Mehrwert erzielen?
Wie schon erwähnt sind die folgenden Maßnahmen nicht allgemeingültig oder allumfassend, sie sollen vielmehr als erste Inspiration dienen.
Geradezu ein Klassiker im BGM ist die gesunde Kantinenkost. An Stelle des Schweinebratens mit Pommes kann beispielsweise eine asiatische Gemüsepfanne oder eine vitaminreiche Salat-Bowl treten. Um hier sowohl bei den Nährstoffen als auch beim Geschmack eine abwechslungsreiche und gesunde Mischung anbieten zu können, empfiehlt es sich, das Küchenpersonal in einem Workshop mit eine:r Ernährungsberater:in zusammen zu bringen, um gemeinsam ein Konzept auszuarbeiten. Langfristig kann so Übergewicht oder zu hohen Blutdruck- und Cholesterinwerten vorgebeugt werden. Übrigens können sich solche Workshops auch in kleineren Unternehmen ohne Kantine - in diesem Fall mit der Belegschaft - positiv auswirken.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ergonomie am Arbeitsplatz. Von guten Bürostühlen über höhenverstellbare Schreibtische, die Bezuschussung einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio bis hin zu physiotherapeutischer Betreuung ist auch hier die Spanne möglicher Ansatzpunkte breit. Dabei ist es ratsam, nicht einfach drauf los zu kaufen, sondern sich mit Expert:innen zu beraten und ein Gesamtkonzept zu erstellen. Dazu kann zum Beispiel auch gehören, gute Stühle nicht nur anzuschaffen, sondern sie auch für die darauf sitzenden Personen passend einstellen zu lassen. Darüber hinaus sollten gut belichtete und temperierte Arbeitsräume ideale Grundvoraussetzungen schaffen. Investitionen zur Gesundheitsförderung lassen sich übrigens steuerlich geltend machen, mehr dazu können Sie hier nachlesen.
Last but not least spielt auch die psychische Gesundheit eine wichtige Rolle und sollte im betrieblichen Gesundheitsmanagement auf keinen Fall außen vor gelassen werden. Deshalb ist es elementar, für ein angenehmes Betriebsklima mit guten Kommunikationsstrukturen und Stressmanagement zu sorgen. Der erste Schritt hierzu liegt dabei bei den Führungskräften. Nur was diese auf persönlicher Ebene vorleben, kann sich auf Unternehmensebene strukturell festigen. Aber auch professionelle Unterstützung von außen kann in dieser Sache hilfreich sein. Diese kann entweder auf regulärer Basis für Schulungen etc. eingesetzt oder im Bedarfsfall zur persönlichen Betreuung oder Vermittlung hinzugezogen werden.
Grundsätzlich gelten bei der Anwendung aller BGM-Maßnahmen immer drei Prinzipien: Partizipation, Integration und Ganzheitlichkeit. Mit Partizipation ist gemeint, dass jede:r Mitarbeiter:in an BGM-Maßnahmen teilnehmen kann (und sollte). Außerdem sollen sie gut in den Arbeitsalltag integriert werden, ohne einen Mehraufwand für die Arbeitnehmer:innen darzustellen. Darüber hinaus sollten alle Maßnahmen immer ineinander greifen und im Optimalfall einen Synergieeffekt erzeugen. Belegt ist zum Beispiel, dass Menschen, die sich gesünder ernähren und mehr Sport machen, auch zufriedener und leistungsfähiger sind. Behalten Sie diese Prinzipien also bei der Evaluation möglicher BGM-Initiativen im Hinterkopf.
Was aber tun, wenn die Angestellten im Homeoffice arbeiten?
Auch wenn in einigen Büros die Arbeitstage in Präsenz im Vergleich zu Corona-Hochphasen wieder zunehmen, ist es ausgeschlossen, dass die Arbeitswelt jemals wieder zum Status vor Corona zurückkehren wird. Die Frage, die da logisch folgt: Wie schafft man es, die BGM-Konzepte so anzupassen, dass sie auch für Mitarbeiter:innen im Homeoffice einen ähnlich hohen Nutzen entfalten? Einige Maßnahmen lassen sich in ähnlicher Form umsetzen. Ist zum Beispiel absehbar, dass eine Arbeitskraft langfristig aus dem Homeoffice arbeitet, sollte die Einrichtung eines ergonomischen Arbeitsplatzes in den eigenen vier Wänden unbedingt unterstützt werden. Auch gesunde Ernährung lässt sich vergleichsweise gut ins Homeoffice bringen. Workshops lassen sich online abhalten, ein Kantinen-Speiseplan kann durch tägliche Rezeptvorschläge inklusive Einkaufslisten ersetzt werden.
Ein komplizierteres Thema ist vielmehr die Sicherstellung des geistigen Wohlbefindens. Dabei besteht nicht nur die Herausforderung, vorhandene Angebote zu digitalisieren. Darüber hinaus entstehen durch das neue Arbeitsmodell neue Herausforderungen, die die psychische Gesundheit bedrohen. Diese müssen identifiziert und über die Distanz ausgeglichen oder aus der Welt geschafft werden. Den Standard von Kommunikation und Stressmanagement bei Remote Work hochzuhalten, ist eine Aufgabe, die nur durch präventive Maßnahmen gemeistert werden kann. Hier empfehlen sich besonders in der Anfangsphase eng getaktete Feedback-Loops, um “maßgeschneiderte” Lösungen zu finden, aber auch, um trotz Homeoffice das Gefühl der Teilhabe zu erzeugen und keine zu große soziale Distanzierung zu riskieren.
Online-Sport- und Achtsamkeitskurse, die live stattfinden und aufgezeichnet werden können, bieten Ihren Angestellten die Möglichkeit, ihre körperliche und geistige Gesundheit auch orts- und zeitunabhängig zu fördern. Verfügt Ihr Unternehmen über eine:n Betriebsärzt:in oder ein:e Betriebspsycholog:in, sollte diese:r unbedingt mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet sein, um auch vom heimischen Schreibtisch aus jederzeit erreichbar zu sein.
Insgesamt lässt sich festhalten: BGM ist eine Investition, die sich nicht nur wegen ihrer Rendite bezahlt macht, sondern auch, weil die Opportunitätskosten Sie früher oder später einholen. Sie sind also gut beraten, Ihr bestehendes Konzept auf Herz und Nieren zu prüfen und für die hybride Arbeitswelt fit zu machen. Scheuen Sie sich dabei nicht, Geld in die Hand und auch professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen - es lohnt sich!