An Remote Work scheiden sich aktuell die Geister. Einst gepriesen als das Arbeitsmodell der Zukunft, bekommt es aktuell starken Gegenwind von prominenten Gegenspielern wie dem “Techno King” Elon Musk (Tesla, SpaceX) oder dem fünffachen New York Times-Bestsellerautor Malcolm Gladwell. “Es ist eine Frage der Produktivität, aber auch zusätzlich eine moralische Frage", argumentiert Musk und fügt hinzu: "Sie verlangen von allen anderen, dass sie nicht von zu Hause aus arbeiten, während sie es tun, und das ist falsch." Dabei bezieht er sich unter anderem auf Bereiche wie die medizinische Versorgung, den Einzelhandel, die Logistik oder den öffentlichen Dienst.
Nun, wie so häufig können komplexe Dinge wie die globale Arbeitswelt nicht einfach schwarz-weiß betrachtet werden. Anforderungen sind kontextabhängig. Investor und Unternehmer Kevin O'Leary kontert treffend mit folgendem Statement über Remote Work: “Die Welt hat sich verändert, die Wirtschaft hat sich verändert, die Arbeitsethik hat sich verändert", erklärt er. "Wir haben während der Pandemie eine außergewöhnliche Zeit durchgemacht – die Idee, die Firmenzentrale aufzuteilen und Leute gehen zu lassen [...] und von zu Hause aus zu arbeiten, wurde nicht einmal in Erwägung gezogen, es wurde als zu riskant angesehen. Jetzt ist es eine bewährte, effektive Methode des Projektmanagements."
Als Unternehmer kommt es O’Leary am Ende des Tages nur auf eins an: “Alles was zählt ist, dass die Arbeit am Stichtag erledigt ist. Und das ist eine Frage des Projektmanagements.”
Wir sehen das genauso, die Welt verändert sich, und wir stehen am Anfang einer zusehends automatisierten Welt. Amazon bietet bereits Einzelhandelsgeschäfte an, in denen nicht mehr durch menschliche Hilfe kassiert werden muss und autonom fahrende Fortbewegungsmittel werden nicht nur die Logistik für immer verändern. Natürlich gibt es auch Bereiche, in denen Remote Work schlecht funktioniert, wie zum Beispiel für Angestellte, die kollaborative und kreative Arbeit leisten müssen. Und genau diese erfordert es vor allem in Firmen wie Tesla oder SpaceX.
Deswegen beleuchten wir in diesem Artikel die Vor- und Nachteile von Remote Work, damit Sie verstehen, für welche Bereiche es in einem Unternehmen funktioniert oder nicht. Im zweiten Teil dieses Artikels gehen wir dann ins Detail, wie ein erfolgreiches Remote Work Setup aufgestellt wird.
Vorteile von Remote Work
Erhöhte Produktivität
Entgegen der traditionellen Vorstellung, dass Produktivität nur innerhalb der physischen Grenzen eines Büros gedeiht, haben Studien durchweg einen Produktivitätsschub in Remote Work-Umgebungen gezeigt. Durch den Wegfall von Bürokram und unnötigen Meetings können sich die Beschäftigten besser auf ihre Aufgaben konzentrieren. Darüber hinaus führt Remote Work häufig zu einem geringeren Stressniveau, da der tägliche Arbeitsweg entfällt, was wiederum zu einer besseren psychischen Gesundheit und einer höheren Produktivität führt. Ganz davon abgesehen, dass die Beschäftigten einiges an Zeit dazu gewinnen, ohne täglich pendeln zu müssen.
Geringere Kosten für Angestellte
Apropos Pendeln. Finanzielle Einsparungen sind ein wesentlicher Vorteil von Remote Work. Für die Angestellten ergeben sich diese aus den geringeren Kosten für das Pendeln, die Mahlzeiten und teilweise auch durch die Kleidung. Die Einsparungen beim Pendeln sind, wie oben erwähnt, nicht nur finanzieller Natur. Die Zeit, die dadurch eingespart wird, dass jene nicht mehr zu den Hauptverkehrszeiten reisen müssen, wird vermehrt in persönliche oder produktive Zeit umgewandelt – und das führt insgesamt zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Bessere Work-Life-Balance
Stichwort Lebensqualität – die Flexibilität von Remote Work ermöglicht eine wesentlich bessere Work-Life-Balance und erhöht das Employee Wellbeing. Die Beschäftigten können ihre Arbeit nahtlos mit persönlichen Aktivitäten verbinden, von der Pflege der familiären Pflichten bis hin zur Verfolgung von Hobbys oder Fitnesszielen. Eine höhere Work-Life-Balance führt häufig zu zufriedeneren Beschäftigten (Employee Experience), was sich für Unternehmen in höherer Produktivität, geringerer Fluktuation und einem verringerten Krankenstand niederschlagen kann. Auch das Risiko einer Ansteckung sinkt.
Erhöhte Flexibilität
Remote Work kommt häufig in der Kombination mit flexiblen Arbeitszeiten. Durch den Wegfall der traditionellen 9-to-5-Routine öffnet sich das Tor zu einer ganzen neuen Welt der Flexibilität. Sie können ihre Arbeitstage so gestalten, dass sie mit ihren produktivsten Zeiten und persönlichen Verpflichtungen übereinstimmen. Diese Flexibilität erhöht natürlich die Arbeitszufriedenheit, insbesondere für Beschäftigte, die noch andere Verpflichtungen wie z. B. die Betreuung von jüngeren oder älteren Familienmitgliedern haben. Diese Anpassungsfähigkeit erweist sich auch als vorteilhaft für Unternehmen, die in verschiedenen Zeitzonen tätig sind.
Höhere Zufriedenheit der Beschäftigten
Zusammenfassend wirkt sich die neue Flexibilität, die Kosteneinsparungen und eine bessere Work-Life-Balance erheblich auf die Zufriedenheit der Beschäftigten aus. Eine höhere Arbeitszufriedenheit und Employee Experience führt in aller Regel zu einer höheren Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen und senkt somit die mit einer hohen Fluktuation verbundenen Kosten. Zufriedene Angestellte investieren mehr in ihre Arbeit und sind fokussierter, was zu mehr Kreativität und einer höheren Qualität der Arbeitsergebnisse führt.
Erweiterter Talentpool
Für Firmen beseitigt Remote Work die geografischen Barrieren bei der Rekrutierung. So können Unternehmen auf einen globalen Talentpool zurückgreifen, der nicht an den Standort gebunden ist. Und das ist gewaltig für Organisationen, die in geografisch weniger attraktiven Gegenden angesiedelt sind. Weiterhin kann dieser erweiterte Zugang zu Talenten zu einer vielfältigeren Belegschaft führen, die unterschiedliche Perspektiven und Ideen einbringt – und ultimativ zu mehr Innovation und besseren Problemlösungen führen kann.
Geringere Kosten für Unternehmen
Durch den Einsatz von Remote Work können Unternehmen ihre Fixkosten minimieren. Der Bedarf an Büroräumen, Büromaterial, Einrichtungen sowie auch Versorgungsleistungen sinkt erheblich. Diese Einsparungen können beträchtlich sein und ermöglichen es den Unternehmen, in Bereiche wie Angestellten-Entwicklung, technologische Upgrades oder Marketing zu investieren.
So weit so gut. Doch wie wir anfangs angeführt haben, funktioniert Remote Work nicht in allen Bereichen – außerdem ist es auch eine radikale Änderung eines vertrauten Umfelds, in dem sich alle Beteiligten neu orientieren müssen. Das erfordert sowohl Aufwand als auch Expertise. Und dann ist da noch die soziale Komponente. Schauen wir da einmal genauer rein.
Nachteile von Remote Work
Isolation
Als Mensch sind die sozialen Aspekte am gravierendsten und eines der größten ist die Isolation. Der Mangel an persönlichen Kontakten kann zu Gefühlen der Einsamkeit und der Trennung von der Kollegschaft führen. Also ein fehlendes “Wir-Gefühl”, was ein wichtiger Teil jeder Firmenkultur ist. Diese Gefühle können die psychische Gesundheit und die allgemeine Arbeitszufriedenheit beeinträchtigen. Außerdem kann die Isolation den Austausch von Ideen behindern, der in einer Büroumgebung spontan erfolgt.
Fehlende Zusammenarbeit
Trotz des technologischen Fortschritts ist es schwierig, die spontanen und oft vorteilhaften Interaktionen zu reproduzieren, die in einem physischen Büro stattfinden. Brainstorming-Sitzungen über einen Videoanruf sind nicht dasselbe wie die Besprechungen am Whiteboard in einem Meetingraum. Tools für die Zusammenarbeit helfen zwar, diese Kluft zu überbrücken, können aber die Dynamik und den organischen Ideenfluss, die bei einem persönlichen Treffen entstehen können, nicht vollständig einfangen.
Diese fehlende Möglichkeit der Zusammenarbeit ist speziell das, was Malcolm Gladwell als Problem sieht und auch verstärkt in Unternehmen wie Tesla oder SpaceX gefordert ist. Unternehmer und Investor Marc Andreessen empfindet, dass speziell für junge Menschen, die gerade in ihren Beruf einsteigen, Remote Work hinderlich beim Netzwerken sein kann. Allerdings ist diese Ansicht bereits in mehreren Studien widerlegt worden, wie durch die des King’s College London vom November 2022. Diese Studie macht auch deutlich, dass hybrides Arbeiten den besten Erfolg verspricht.
Ablenkungen
Zum einen entfallen im Homeoffice zwar Ablenkungen wie geschwätzige Kolleginnen und Kollegen oder Bürolärm, es bringt aber neue Ablenkungen wie Hausarbeit, Familienmitglieder, Haustiere oder den Fernseher mit sich. Ganz abgesehen davon ist die ganze Weite des Internets auch nur einen Klick entfernt. Einen ruhigen, speziellen Workspace zu Hause zu finden, kann für manche eine Herausforderung oder gar unmöglich sein. Für Arbeitnehmende ist es daher wichtig, Grenzen zu ziehen, um zu verhindern, dass diese Ablenkungen ihre Produktivität beeinträchtigen.
Technologische Herausforderungen
Weiterhin hängt der Erfolg von Remote Work stark von der Technologie ab, sprich dem Setup. Neben einem ordentlichen Tech Stack ist auch die entsprechende Hardware unumgänglich. Technologie hat Remote Work zwar möglich gemacht, aber sie hat auch wie immer ihre Tücken. Eine schwache Internetverbindung, Software-Probleme, Hardwarefehlfunktionen – all dies sind potenzielle Störungen, die die Produktivität beeinträchtigen können. Ganz zu schweigen davon, dass die Kosten und die Verantwortung für die Bereitstellung eines geeigneten Arbeitsplatzes oft bei den Beschäftigten liegen, die an einem entfernten Standort arbeiten.
Herausforderungen bei der Kommunikation
Effektive Kommunikation, der Eckpfeiler eines jeden erfolgreichen Teams sowie auch jeder zwischenmenschlichen Beziehung, wird in einer entfernten Umgebung komplizierter. E-Mails, Chats oder sogar Videoanrufe können die nonverbalen Signale nicht vollständig erfassen, die für das Verständnis und die Interpretation eine entscheidende Rolle spielen. Fehlkommunikation wird zu einem größeren Risiko, und das Fehlen von zwanglosen, persönlichen Gesprächen kann zu einem Gefühl der Isolation, Abgehobenheit und einem Mangel an Teamzusammenhalt führen.
Schwierigkeiten bei der Führung entfernter Angestellten
Diese erschwerte Kommunikation legt quasi den Grundstein der Herausforderung des Managements, ihre Angestellten zu führen. Traditionelle Managementstrategien greifen in einer Remote Work-Umgebung oft zu kurz. Die Beurteilung der Leistung der Beschäftigten, die Bereitstellung von Feedback und die Sicherstellung einer gleichbleibenden Produktivität können bei der Führung von Remote-Teams zu einer größeren Herausforderung werden. Darüber hinaus ist es eine komplexe Aufgabe, eine starke Unternehmenskultur in der Ferne zu kultivieren und sicherzustellen, dass sich alle Beschäftigten engagiert und verbunden fühlen. Und wir können nicht oft genug darauf hinweisen, wie wichtig die Unternehmenskultur für eine Organisation ist.
Navigieren durch die Zukunft der Arbeit
Angesichts dieser Vor- und Nachteile ist klar, dass Remote Work keine Einheitslösung ist. Sie ist weder für jedes Unternehmen noch für jeden Beschäftigten geeignet. Es ist jedoch unbestreitbar, dass Remote Work im Zuge des technologischen und sozialen Fortschritts einen immer größeren Stellenwert in der zukünftigen Arbeitslandschaft einnehmen wird. Daher ist hybrides Arbeiten (Hybrid Work) für viele Organisationen der goldene Mittelweg.
Um die Vorteile von Remote Work zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile abzumildern, müssen die Unternehmen solide Strategien entwickeln. Dazu gehören Investitionen in die passende Technologie, die Pflege einer starken virtuellen Unternehmenskultur und die Einführung effektiver Remote-Management-Verfahren. Für die Mitarbeiter:innen ist es wichtig, einen eigenen Workspace einzurichten, klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu setzen und mit den Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben. In unserem nächsten Artikel gehen wir genau auf diese Punkte in aller Ausführlichkeit ein.
Im Grunde geht es bei der Zukunft der Arbeit nicht darum, sich zwischen Remote Work und Büroarbeit zu entscheiden. Vielmehr geht es um Flexibilität und die Suche nach dem passenden Gleichgewicht. Die Unternehmen werden nicht nur den Arbeitsort, sondern auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, neu gestalten und so eine inklusivere, produktivere und einfach bessere Arbeitserfahrung fördern.
Lesen Sie in unserem nächsten Artikel "Von der Distanz zur Einheit: So funktioniert Remote Work erfolgreich" wie Sie am besten mit Remote Work verfahren.