Dies ist der vierte Teil unserer Serie “Digitalisierung 2021”. Nachdem wir uns in den ersten drei Artikeln mit den Bereichen Vertrieb, IT-Sicherheit und Marketing befasst haben, schauen wir uns in diesem Artikel die Digitalisierung der Logistik genauer an.
Autonome Lastwagen, Lager-Kommissionierroboter, Leichtfracht-Lieferdrohnen, Blockchain in der Logistik (die Blockchain steht vereinfacht ausgedrückt für sichere und direkte Transaktionen im Internet) oder Ringscanner (drahtlose Mini-Barcode-Scanner die am Finger getragen werden können) – die Zukunft der Logistik und Lieferketten (engl. Supply Chain) ist in vollem Gange. Im vierten Teil unserer “Digitalisierung 2021” Serie beleuchten wir die Digitalisierung in der Logistik, oftmals auch Logistik 4.0 oder Supply Chain 4.0 (Lieferkette 4.0) genannt. Erfahren Sie im Folgenden alles über die Herausforderungen dieser Transformation und wie Sie dieser erfolgreich begegnen können.
Was ist Logistik 4.0?
Zunächst einmal: Was ist die Logistik 4.0? Logistik 4.0 ist ein neues Logistikparadigma, das digitale Technologien in alle Aspekte des Logistikbetriebs integriert. Es wurde entwickelt, um die Geschwindigkeit, die Effizienz und das Kundenerlebnis zu verbessern und gleichzeitig die Kosten für Lieferketten weltweit zu senken. Außerdem auch um steigende Anforderungen und Komplexität von Logistiksystemen zu begegnen. “Oft spricht man von einer zwingenden, komplementären Ergänzung für die Fertigungsindustrien 4.0“ – Keine Industrie 4.0 (das Resultat der vierten industriellen Revolution durch Digitalisierung) ohne Digitalisierung der Supply Chain. Die Logistik 4.0 ist das Herzstück der Industrie 4.0 und regelt durch digitale Unterstützung den perfekten Fluss von Waren und Material von einem Ort zum anderen.
Weiterer starker Treiber für die Logistik 4.0 ist der E-Commerce (Onlinehandel). Konsument:innen erwarten immer kürzere Lieferzeiten und die Anzahl der Händler:innen, die online ihre Waren vertreiben, steigt zusehends. Die Corona-Pandemie sorgt zusätzlich dafür, dass Produkte viel öfter online gekauft werden. Auch die Lebensmittelindustrie profitiert stark von den Fortschritten der Digitalisierung der Logistik. Da Supermärkte und Restaurants verderbliche Waren anbieten, ist der Zeitdruck größer als in jeder anderen Branche. Der beschleunigte Informationsfluss und der daraus resultierende Zeitgewinn für den Transport von Waren und Gütern durch die Logistik 4.0 ist einer der großen Vorzüge dieser Transformation. Die fundamentalen Vorteile sind eine höhere Planungssicherheit und die bessere Transparenz (wo befindet sich die Ware).
Insgesamt leiten sich aus all den Vorteilen natürlich erhebliche Wachstumschancen und Wettbewerbsvorteile für Unternehmen ab, die sich den neuen Technologien und Innovationen nicht verschließen. Sie erreichen den Vorteil deswegen, weil sie ihre Kosten und Fehleranfälligkeit senken und gleichzeitig die Auslieferung beschleunigen und damit die Kundenzufriedenheit erhöhen können. Es wird grob gesagt, dass durch die Digitalisierung der Logistik Produktivitätssteigerungen von rund 30 Prozent möglich sind, abhängig von der Länge und Komplexität der Lieferkette.
Doch bei all den Vorzügen hat die Logistik 4.0 auch Herausforderungen, denen man sich als Unternehmer:in stellen muss.
Störungen in der Lieferkette und Risikomanagement
Der Coronavirus zeigt aktuell die Schwächen in Supply Chains auf. Ein Beispiel ist hierfür das Isopropanol (Isopropylalkohol), welches derzeit zur Desinfektion genutzt wird. Aufgrund der Pandemie und der starken Nachfrage ist Isopropanol zur Mangelware geworden. Dieses Mittel wird auch bei der Herstellung hochwertiger Gussstücke verwendet und entscheidet über die Gussqualität. Der Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG) hat durch eine Umfrage herausgestellt, dass deutsche Gießereien dadurch erheblich im Betriebsablauf eingeschränkt werden und eine Rezession zu erwarten ist. Auch der deutsche Maschinen- und Anlagenbau erlebt ähnliche Beeinträchtigungen. Zum einen, weil auch sie ein großer Abnehmer von Gusserzeugnissen sind, aber hauptsächlich dadurch, dass der Maschinenbau eine stark global vernetzte und exportorientierte Branche ist.
Auch die Verteilung des Impfstoffs gegen Corona ist der maximale Belastungstest für die Lieferketten. Extreme Sicherheits- und Qualitätsanforderungen, extreme Temperaturen und extremer Zeitdruck. Siemens Digital Logistics spricht von einer "logistischen Jahrhundertaufgabe". In diesem Zuge wird die Pandemie die Notwendigkeit von Echtzeitkommunikation, durchgehender Transparenz und Kontrolle in Lieferketten (durch Blockchain Technologie) weiter verstärken.
Wie sichert man die Versorgung?
Unternehmen wird geraten, sich ein möglichst ausfallsicheres und belastbares Lieferantennetzwerk aufzubauen mit Notfalllieferanten und Bestellung der Komponenten von unterschiedlichen Herstellern (Lieferantendiversifizierung). Wer kann, hält sich Bestände an benötigten Komponenten auf Lager. Und auch hier kann die Künstliche Intelligenz neue Wege entdecken, die dem “menschlichen” Supply Chain Management bisher verborgen war. Ein Gegentrend zur Globalisierung und den immer komplexeren Lieferanten-Netzwerken ist das sog. “Nearshoring”. Ein Begriff, den manche auch aus der IT kennen. Hierbei werden wichtige Lieferanten in ein nahe gelegenes Land zum Hersteller verlagert. Bspw. für einen deutschen Hersteller, der wichtige Teile aus China bezieht, würde man diese Produktion von China nach Ungarn oder Rumänien verlegen, um die “Supply Chain Resilienz” ebenfalls zu erhöhen.
Ransomware, Hacker und Cyberkriminalität
Die nächste Herausforderung sind Cyberattacken - und die Angst in Deutschland ist groß. Wie wir schon im zweiten Teil dieser Serie, die “Digitalisierung der IT-Sicherheit”, beschrieben haben, wird aktuell bereits jedes zweite von drei Unternehmen in Deutschland angegriffen. Auch global sind die größten Player anfällig für Attacken, wie just im April 2021 die “wertvollste Marke der Welt” Apple erfahren musste – die berüchtigte Sodinokibi Ransomware Gruppe, welche nur einen Monat zuvor den Hersteller Acer angegriffen hatte, zielte auf den taiwanesischen Zulieferer Quanta Computer und stahl Blaupausen von unveröffentlichten Apple Produkten.
Durch die Digitalisierung der Logistik vergrößert sich die Angriffsfläche. Das Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IOT) und das industrielle Internet der Dinge (engl. Industrial Internet of Things) öffnen Tür und Tor für Missbrauch, wenn es unsachgemäß eingerichtet wird. Unternehmen sei geraten, Sicherheitsexpert:innen in den digitalen Wandel einzubinden und ihre Mitarbeitenden entsprechend zu schulen.
Umsatzverlust durch Fachkräftemangel
Die Digitalisierung der Supply Chain mit ihren digitalen Strategien ist eine anspruchsvolle Aufgabe die qualifizierte Mitarbeitende benötigt. In Deutschland hat allerdings nur jeder zweite Logistiker diese Fachkräfte im Unternehmen. Das hat laut PwC zur Folge, dass “fast jedes zehnte Logistikunternehmen in Deutschland (...) durch fehlendes Fachpersonal Umsatzeinbußen von bis zu zehn Prozent in Kauf nehmen (muss).” Insgesamt fehlen in Deutschland derzeit 50.000 Fachkräfte für den Logistikbereich.
Wie kann ich die Digitalisierung der Supply Chain umsetzen?
Am Anfang der Digitalisierung steht die strategische Bewertung der Logistikanforderungen und des digitalen Reifegrads des Unternehmens. Damit lässt sich die passende digitale Roadmap definieren, welche Prozesse, IT- und organisatorische Aspekte umfasst.
Unternehmen müssen dabei digitale Lösungen kontinuierliche überwachen und bewerten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu erhalten oder sogar zu steigern. Werden die richtigen Technologien für die Digitalisierung erkannt, erzeugt man weitere Unternehmenswerte oder erschließt sogar neue Geschäftsfelder. Im besten Fall könnte man zum digitaler Vorreiter in seinem Bereich werden.
Unternehmen jeder Branche und jeder Größe profitieren vom Einsatz digitaler Technologien. Letztendlich ist eine Investitionsrechnung. Erfahrungsgemäß fällt es großen Unternehmen leichter, die nötigen Investitionen zu stemmen, während kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sehr bedacht vorgehen müssen. Doch auch für sie gibt es Möglichkeiten – durch Branchenkooperationen oder die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen können mögliche Größennachteile ausgeglichen werden.
Schlüsseltechnologie: Künstliche Intelligenz
Die wichtigste Triebfeder der Digitalisierung in der Logistikbranche ist die Künstliche Intelligenz (KI). Grund dafür sind die Unmengen an strukturierten und unstrukturierten Daten (Big Data), die in diesem Bereich anfallen. Diese können nur noch mit maschineller Hilfe verarbeitet und vor allem ausgewertet werden. Damit können logistische Abläufe erheblich optimiert werden, den Künstliche Intelligenz zeigt oftmals unbekannte Wege an, die die Supply Chain in den Punkten Geschwindigkeit, Flexibilität und Kosten verbessern kann. Eine weitere praktische Anwendung für den Einsatz von KI ist beispielsweise das Forecasting im Handel.
Fazit
Der Einsatz von neuen Technologien verändert das Risikomanagement der Lieferketten und macht sie grundsätzlich zuverlässiger und resilienter. Künstliche Intelligenz ist hier klar der stärkste Treiber. KI-Systeme können Planungsprozesse verbessern und durch Prognosen über das Kaufverhalten Lieferzeiten und Lagerhaltung optimieren. Dank der Blockchain teilen Hersteller, Zulieferer und Unternehmen wichtige Informationen, welche wiederum für Transparenz und Sicherheit sorgen.
Doch auch in der Logistik und dem Bereich der Supply Chain tobt der “War for Talents”. Das Problem der qualifizierten Arbeitskräfte ist der Hauptgrund, warum es so schleppend mit der Digitalisierung voran geht. Denn häufig fehlt es den Firmen an Kenntnissen von digitalen Technologien für die Supply Chains und damit auch an Ideen für den Einsatz.
Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie hat das größte Potenzial in der Logistik und die Analyse von Big Data, das Internet der Dinge und die Blockchain gewinnen erheblich an Bedeutung für Lieferketten. Mit dem richtigen Team von Spezialist:innen aus den Bereichen Data Science, Machine Learning, Künstlicher Intelligenz, Deep Learning, und Cloud Computing lässt sich die Supply Chain auf das nächste Level heben oder neue Geschäftsbereiche lassen sich erschließen. Die Zukunft hat längst begonnen, warten Sie nicht auf die Veränderung – gestalten Sie sie mit.