Der Einsatz von Big-Data-basierten Verfahren ist ein Trend, der branchenübergreifend an Beliebtheit gewinnt und besonders in der Prozessoptimierung weltweit schon jetzt eine wichtige Rolle spielt. Denn mit der fortschreitenden Digitalisierung alltäglicher Office-Prozesse wächst auch die Dichte der zur Verfügung stehenden Daten, die gesammelt und analysiert werden können. Diese Analyseverfahren ermöglichen es nicht nur, Muster zu erkennen und sie zu benennen, sondern sie in weiteren Schritten auch zu erklären, zukünftige (wahrscheinliche) Entwicklungen vorherzusagen und somit einen wichtigen Beitrag zur strategischen Planung eines Unternehmens zu leisten.
Doch für wen lohnt sich das überhaupt? Welche Prozesse lassen sich mit Hilfe von Big Data verbessern? Und wie ist das zu bewerten? Das sind die Fragen, mit denen ich mich heute beschäftigen möchte.
Wo lohnt sich der HR-bezogene Einsatz von Big Data?
Zunächst einmal muss man sich vor Augen führen, dass Big-Data-Prozesse überall dort zum Einsatz kommen, wo Datensätze zu groß sind, um von Menschen manuell verarbeitet und analysiert zu werden. Folglich ergibt die Anwendung solcher Verfahren nur dann einen Sinn, wenn entsprechende Instrumente zur Datenerfassung vorgeschaltet sind. Für den kleinen Bäckerladen um die Ecke lohnt es sich also höchstwahrscheinlich weniger, für mittelgroße Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeitende) ist es hingegen schon lohnenswerter, während große Unternehmen oder gar Konzerne diese Entwicklung keinesfalls verschlafen sollten. Denn gut funktionierende Big-Data-Tools ermöglichen es Führungskräften, besser fundierte Entscheidungen in kürzerer Zeit zu treffen.
Der Einsatz und die Chancen von Big-Data-Analysen in der HR
Ein Musterbeispiel für den Einsatz der Big-Data-Analyse im HR-Bereich ist das Recruiting. Dieses sollte ohnehin weitgehend digitalisiert sein und kann so im Optimalfall umfassend analysiert werden. Jede Phase der Candidate Journey lässt sich so auf “Breaking Points” - also Punkte, an denen überproportional viele Bewerber:innen abspringen - untersuchen. Diese Methode soll keineswegs die Befragung neu gewonnener Teammitglieder bezüglich des Bewerbungs- und Onboarding-Prozesses ersetzen. Vielmehr kann sie dadurch ergänzt und zusätzlich geschärft werden.
Auch kann der Teil des Auswahlverfahrens, der auf Seite des Unternehmens stattfindet, weiter automatisiert werden - vielleicht erinnern Sie sich an meinen Artikel zum Thema “KI im Recruiting”? Verfahren, die in der Vergangenheit noch ausschließlich von Menschenhand durchgeführt wurden, können dabei analysiert und Logik-Zusammenhänge und Messgrößen abgeleitet werden, die in Zukunft zur ersten automatisierten Bewertung von Bewerber:innen beitragen könnten. Wichtig ist hierbei, dass regelmäßige Kontrollen stattfinden und das System um Korrelationen, denen keine logische Hypothese zugrunde liegt, erweitert wird.
Ein weiteres Anwendungsfeld liegt im Change Management. Unabhängig vom Grad der Schnelllebigkeit der Branche, in der Ihr Unternehmen angesiedelt ist: Von Zeit zu Zeit finden besonders im Bezug auf digitale Arbeitsprozesse Paradigmenwechsel statt, die möglichst schnell und flächendeckend von der Belegschaft umgesetzt werden sollten, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Mit Hilfe von Big-Data-Tools lässt sich sehr einfach feststellen, welche Vorgaben besser und welche weniger gut umgesetzt werden. Das kann beispielsweise bei der Planung von Weiterbildungsmaßnahmen enorm hilfreich sein, da messbare Schwachpunkte gezielt angegangen werden können.
Natürlich gibt es zahlreiche weitere Anwendungsbeispiele, ich möchte mich aber mit dem Personalmanagement und damit verbunden auch der Personalstrategie auf ein letztes beschränken. Hier kommt die sogenannte People Analytics zum Einsatz, also die Analyse von mitarbeiterbezogenen Daten. Sie ermöglicht es beispielsweise, eindeutige Rückschlüsse darauf zu ziehen, welche Mitarbeiter:innen mit wem, zu welcher Uhrzeit und zu welchen Themen am produktivsten oder eben am wenigsten produktiv arbeiten. Solche Informationen sind natürlich enorm hilfreich, wenn es darum geht, Teams für Projekte einzuteilen und Arbeitsmodelle anzupassen. Das theoretische Potential solcher Analysen ist geradezu unendlich, da ein Datensatz praktisch auf jede beliebige Variable - auch in Abhängigkeit zu einer anderen - untersucht werden kann.
In der Summe entfalten diese Informationen dann ihr ganzes Potential. Denn wenn Sie klar identifizieren können, wo in der Mitarbeiterschaft Stärken und Schwächen in Bezug auf Fachgebiete, wo Vorlieben in Bezug auf Arbeitszeiten und -modelle sowie Partner:innen in der Teamarbeit liegen, ermöglicht das eine deutlich effizientere Nutzung der vorhandenen Ressourcen und eine bessere strategische Planung.
Aber - und mit dieser Frage möchten wir uns gleich befassen - so hilfreich diese Erkenntnisse auch sein mögen, sollte immer zwischen dem Schutz der Privatsphäre der Angestellten und dem Nutzen für das Unternehmen abgewogen werden. Im Zweifelsfall sollten für eine verantwortungsvolle Führungskraft immer die Interessen der eigenen Mitarbeitenden an erster Stelle stehen, denn diese sind die wichtigste Ressource des gesamten Unternehmens.
Also: Ist das alles rechtlich und moralisch vertretbar?
Kommen wir zum Elefanten im Raum: zum Thema Datenschutz. Seinen moralischen Kompass kann und sollte man beim Thema Datenanalyse in der HR an der deutschen Gesetzgebung ausrichten. Hier steht Big Data auch Big Datenschutz gegenüber. Um die Rechtslage nicht aus den Augen zu verlieren, sind regelmäßige Schulungen der HR-Abteilung unerlässlich.
Arbeitgeber:innen sind dazu verpflichtet, bei jeder Form der Datenerhebung die Erlaubnis der betroffenen Angestellten einzuholen. Handelt es sich um personenbezogene Daten, ist diese Erlaubnis immer an einen festen Verwendungszweck gekoppelt. Möchte man zwei Wochen später eine andere Variable oder einen anderen Zusammenhang untersuchen, bedarf es einer erneuten freiwilligen Einwilligung - denn so wissen Mitarbeitende zu jedem Zeitpunkt, wie und zu welchem Zweck ihre Daten verarbeitet werden. Anders ist es, wenn die Daten nach ihrer Erhebung vollkommen anonymisiert werden, sodass sie keine Rückschlüsse mehr darauf zulassen, welche Arbeitnehmer:innen sich im Datensatz an welcher Stelle wiederfinden. Hier braucht es nur eine einmalige Einwilligung, anschließend dürfen die Daten immer wieder neu verarbeitet und untersucht werden.
Nicht nur beim Thema Datenschutz, sondern auch bei der Moralfrage sollte man differenzieren: zwischen solchen Methoden, bei denen Daten völlig anonymisiert werden, bevor sie ausgewertet werden, beispielsweise um daraufhin Prozessstrukturen zu untersuchen und zu verbessern und solchen, bei denen personenbezogene Daten genutzt werden, um einzelne Mitarbeiter:innen genau unter die Lupe zu nehmen, ihr Verhalten und ihre Arbeitsweise zu analysieren.
Lange nicht alles, was technisch möglich ist und aus Sicht des Unternehmens sinnvoll erscheint, ist auch moralisch vertretbar. Ein Extrembeispiel wäre die Auswertung von Toiletten-Nutzungszeiten. Verbringt ein Teammitglied überdurchschnittlich viel Zeit auf dem stillen Örtchen, arbeitet er oder sie ja schließlich weniger - und sollte dementsprechend auch weniger verdienen als Mitarbeitende, die deutlich weniger Zeit auf der Toilette verbringen, oder? Das mag auf den ersten Blick fair erscheinen, diese Form der Datenanalyse überschreitet jedoch zahlreiche moralische Grenzen. Denn Vertrauen und Respekt gegenüber den eigenen Mitarbeitenden sind die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitieren.
Orientiert man sich an diesen Richtlinien, können Big-Data-Tools immer noch großen Nutzen bringen, ohne dabei zu tief in die Privatsphäre der Arbeitnehmer:innen vorzudringen. Nahezu jeder Prozess kann auf Bottlenecks und limitierende Faktoren untersucht werden, welche infolgedessen gezielt optimiert werden können. Darüber hinaus können Entwicklungen wie der künftige Personalbedarf bei Expansion vorhergesagt werden, was eine zusätzliche Stütze in der strategischen Planung bietet.